Mehr als nur eine Ablage: Wie wir LMS sinnvoll nutzen sollten
Lern-Management-Systeme (LMS) bieten großes Potenzial, werden aber oft als bloße Ablagen für Materialien genutzt. Stattdessen könnten sie als digitale Assistenten betrachtet werden, die Lehrkräfte bei Organisation, Strukturierung und Feedback unterstützen. Doch dafür braucht es mehr als nur ‚Hochladen und fertig‘: Kompetenz, Kreativität und der Wille, die Technik richtig einzusetzen.
Immer häufiger ärgere ich mich darüber, dass Lern-Management-Systeme (LMS) genutzt werden, ohne dass diejenigen Personen, die es letztlich nutzen, ein Grundverständnis dieser Technik haben. Es wirkt häufig nach einem „Ach, ich lade einfach mal alles hoch und passt dann schon.“ Dementsprechend sehen dann auch die jeweiligen „Lernangebote“ aus: Einfach mal hochgeladen und passt schon.
Aber machen wir das im „richtigen Leben“ (also offline) auch? Einfach mal irgendwelche Zettel ausdrucken und austeilen und passt schon? Ist das unser Anspruch an Lehre bzw. an Lernen? Wären wir selbst damit aus Sicht der Lernenden glücklich?
Missbräuchliche Verwendung von Technik
Kürzlich habe ich erst von der „missbräuchlichen Verwendung“ von Technik gelesen und mich bei dem Begriff sehr amüsiert. Denn genau das ist es, was häufig passiert. Dabei ist mir gleich die allerschrecklichste Nutzweise, wie man ein LMS nutzen kann eingefallen: Codename „Die Linkschleuder“. 😱
Dabei werden Links einfach im LMS zusammengetragen und alle Teilnehmer:innen bekommen in einem Kurs darauf Zugriff. Meist ist nichts anders im Kurs zu finden. Klingt schon beim Schreiben komisch, aber es ist Realität.
Selbstverständlich geschieht dies immer mit bestem Wissen und Gewissen unter dem Aspekt „dass die Teilnehmer:innen einfachen Zugang dazu haben.“ Schließlich sind das ja wichtige Links, bei dem die Teilnehmer:innen was lernen können, also ist der Zweck des Lernmanagementsystems erfüllt. Oder?
LMS als digitale Assistenten?
Persönlich finde aber, dass LMS und Lehrkräfte/Trainer:innen (Wording je nach Kontext unterschiedlich) eigentlich viel gemeinsam haben, wir dies nur überwiegend nicht sehen. Ich würde nicht sagen, dass ein LMS die digitale Version einer der Trainer:innen sein kann, denn das wäre nicht ganz korrekt.
Aber vielleicht können wir ein LMS eher als digitalen Assistenten1 ansehen?
Einen Assistenten, der mich eigentlich unterstützt.
Sehen wir uns einige Aspekte an
- Das Bereitstellen von Inhalten
- Trainer:innen besitzen und organisieren die Materialien (Arbeitsblätter, Präsis,…) und auch das Wissen, das sie den Teilnehmer:innen zur Verfügung stellen.
- LMS speichern (besitzen) Materialien und man diese auch ganz einfach organisieren.
Mein digitaler Assistent speichert somit meine Materialien, die ich für den Unterricht benötige. Zugegeben: Das automatische organisieren klappt hier noch nicht. 😉
- Kurse planen und strukturieren
- Trainer:innen planen den Lehrstoff und strukturieren diesen in einem sinnvollen Ablauf in Lehreinheiten.
- LMS bilden diesen Prozess digital ab, in dem Kurse, Module und Lektionen erstellt werden.
Ich kann also meinem digitalen Assistenten die Struktur vorgeben, und kann diese jederzeit wiederverwenden. Beispielsweise durch Duplizieren von Kursen innerhalb des LMS, oder durch den Export in ein anders LMS.
- Fortschritte überwachen und bewerten
- Trainer:innen bewerten Aufgaben & geben (hoffentlich) Feedback, um den Lernfortschritt zu messen.
- LMS zeichnen, wenn zuvor richtig konfiguriert, die Fortschritte der Lernenden auf, erstellen automatisiert Berichte und geben direktes Feedback (sofern zuvor definiert) zu Tests. Auch Aufgaben können gefeedbackt werden.
Zusammenfassung
Sieht man sich diese drei Aspekte an, so ist das LMS durchaus ein Assistent, dem ich einmal alles erkläre (konfiguriere) und der dann den Kurs und die Inhalte nach meinen Vorstellungen verwaltet. Er kann, sofern ich ihn das lasse, tatsächlich eine Bereicherung sein und eine Unterstützung.
Ich sage meinem digitalen Assistenten anhand von Einstellungen also, welche Fragen korrekt sind und welche nicht. Ich sage ihm auch, welches Feedback er zu welcher Antwort geben soll, damit Teilnehmer:innen den größtmöglichen Nutzen draus haben. Es ermöglicht mir sogar, die abgegebenen Dokumente an einem Ort zu sammeln und mit ein paar Klicks zu bewerten und ein paar weiteren Klicks einen Überblick über die Benotungen zu haben.
Zugegeben, ich muss dem Assistenten häufiger mal bei der Ausführung helfen. Schließlich kann er nicht wissen, was ich mit Dokument „Alle Links der Welt.docx“ tatsächlich will, nur weil ich es ihm mal einfach auf den virtuellen Schreibtisch klatsche.
Er braucht also klare Anweisungen und regelmäßige Updates. Als Trainer:in muss ich mit meinem Assistenten “reden” (konfigurieren), und ihm vielleicht die Version „Alle Links der Welt_Version2.docx“ geben, damit für Teilnehmer:innen auch die aktuellen Links zur Verfügung stehen.
Die Frage, die sich mir so häufig stellt: Warum nutzen wir das LMS nicht als genau jenen Assistenten, sondern viel mehr als digitale Ablage, bei dem ich dann genau das Dokument „Alle links der Welt.docx“ einfach ablege?
Man hätte doch viel mehr Möglichkeiten sich auf die Bedürfnisse Teilnehmer:innen einzulassen und individuell auf sie einzugehen, wenn man seinem Assistenten tatsächlich auch Aufgaben gibt. Oder etwa nicht?
Liegt es tatsächlich am technischen Verständnis, oder doch eher am Unwillen sich mit anderen Dingen auseinanderzusetzen, um über sich selbst zu herauszuwachsen?
Fußnoten
- Ja, ich habe den Assistenten nicht gegendert. Denn woran denkst Du, wenn Du an eine Assistenz denkst? War, die Person, an die Du dachtest etwa weiblich? 😉 ↩︎
Anmerkungen
Das Bild habe ich mit ChatCPT erstellt. Der Befehl hieß ursprünglich “Kannst Du mir einen digitalen Assistenten kreieren, der auch menschlich aussieht? Bitte im Querformat Auflösung 1920×1080.” -> Rate mal wie sich eine KI eine menschliche Assistenz (neutrales Wort!!) vorstellt. 😉
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